Die Studentenbewegung der 1960er Jahre - Politische Hintergründe

Politische Hintergründe

In den 60er Jahren begann die Auseinandersetzung mit dem Holocaust, ausgelöst durch den Eichmann- und 1963 durch den wesentlich größeren Auschwitz-Prozess. Die jüngere Generation war entsetzt, als sie über die Enthüllung von Verbrechen erfuhr, die ca. 20 Jahre lang vertuscht worden waren und nun durch Zeugenaussagen wieder an die Öffentlichkeit drangen. Der Grundstein für die Revolution war gelegt, für den Aufstand der Nachkriegs-Jugend, die sich gegen die Eltern-Generation stellte, welche Hitler an die Macht gewählt und ihm treu gedient hatte und dies nun verleugnete.

In den folgenden Jahren entzündete sich der Protest der Jugend in ganz Europa, nicht nur gegen die Mängel ihrer eigenen sozialen Lage, den Bildungs- und Ausbildungsnotstand, sondern auch gegen die undemokratischen Traditionen der deutschen Gesellschaft, insbesondere gegen die faschistische Vergangenheit ihrer Amts- und Würdenträger.

Nach und nach wurde den Revolutionären alle Illusionen über den deutschen Staat und seinen Politikern genommen, ausgelöst durch einige politische Ereignisse im Laufe der 60er Jahre:

  • Der 13. August 1961: Der Mauerbau in Berlin symbolisierte das endgültige Scheitern aller Wiedervereinigungsträume.
  • Die "Spiegel-Affäre" im Oktober 1962: Der Spiegel veröffentlichte einen Bericht, der verschiedene Schwächen des westdeutschen Verteidigungssystems aufdeckte, worauf Adenauer den Artikel als einen "Ein Abgrund von Landesverrat" bezeichnete und polizeilich das Nachrichtenmagazin durchsuchen und einige Mitarbeiter verhaften ließ. Als Reaktion folgten die ersten Straßendemonstrationen; die Öffentlichkeit protestierte. Zu Recht, denn wie sich später herausstellte, waren die Vorwürfe gegen den "Spiegel" haltlos.
  • 1963 begann der große Auschwitz-Prozess in Frankfurt. Durch Zeugenaussagen erfuhr die Öffentlichkeit erstmals von dem Grauen der Vernichtungslager. Die Bundestagsdebatten über die Verjährung der Nazi-Verbrechen trafen in der Bevölkerung auf Unverständnis.
  • Die erste große Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit erschütterten den Glauben an die kapitalistische Marktwirtschaft.
  • Im Dezember 1964 wurde der kongolesische Diktator Tschombe herzlich in Deutschland empfangen. Drei Jahre zuvor hatte dieser seinen Ministerpräsidenten ermorden lassen, um sich so an die Spitze zu putschen. Die Folge: Berliner Studenten bewarfen sein Auto mit blutroten Tomaten.
  • Beim Besuch des persischen Schahs im Mai 1967 kam es zur Eskalation. Die Polizei jagt Demonstranten auseinander. Ein Zivilbeamter verfolgte den flüchtenden Studenten Benno Ohnsorg und erschoss ihn von hinten. Das Gericht sprach den Beamten aufgrund von "Notwehr" frei.

Der Vietnam-Krieg

Der Vietnam-Krieg war ein Ereignis, das die Studenten in Empörung versetzte. Sie waren wegen der unmenschlichen Kriegsmethoden der Amerikaner aufgebracht, welche auch der Grund dafür waren, dass die USA für einen Großteil der Menschen nicht mehr länger als Vorbild galt.

Am 22. Mai 1966 fand der Vietnam-Kongress in Frankfurt statt. Das Hauptreferat wurde von dem Berliner Professor Herbert Marcuse vor ca. 5000 Menschen gehalten und endete mit dem Appell:

"Es gibt keine Notwendigkeit... die rechtfertigen könnte, was in Vietnam geschieht: das Abschlachten der Zivilbevölkerung, von Frauen und Kindern, die systematische Vernichtung von Nahrungsmitteln, Massenbombardierungen eines der ärmsten und wehrlosesten Länder der Welt... dagegen müssen wir protestieren, selbst wenn wir glauben, dass es hoffnungslos ist, einfach um als Menschen überleben zu können - und vielleicht auch, weil dadurch der Schrecken und das Grauen abgekürzt werden könnten, und das ist heute schon unendlich viel!"

Mit der Eskalation des Vietnam-Krieges 1967 nahmen auch die Protestaktionen weiter zu. Erst 1975, als bekanntgegeben wurde, dass die letzten Amerikaner Vietnam verlassen hatten, fielen sich die Protestanten buchstäblich in die Arme.

Die große Koalition

Im Dezember 1966 war es soweit: CDU/CSU und die SPD bildeten eine Große Koalition. Das bedeutete, dass die FDP alleine die parlamentarische Opposition bildete. Das und der Plan der Regierung, ein neues Mehrheitswahlrecht einzuführen, unterstrich die Notwendigkeit einer auf eine außerparlamentarischen Oppostion. Ein weiterer Faktor war das Vorhaben der Regierung, Notstandsgesetze zu verabschieden, was die Schüler und Studenten noch mehr antrieb, gegen die Regierung zu protestieren.

Die Notstandsgesetze

Nach der Bildung der Großen Koalition kam die Diskussion über die Verabschiedung von Notstandsgesetzen auf.

Kern der Notstandsgesetze war die Notstandsverfassung. Die Notstandsgesetze sollten dem Staat bei inneren und äußeren Bedrohungen gestatten, die Grundrechte (wie z. B. die Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Postgeheimnis, etc.) aufzuheben. Durch diese Aufhebung konnte der Staat auch in Länderrechte eingreifen.

Die APO konnte im Mai 1968 eine Viertelmillion Menschen für Protestveranstaltungen gegen die Notstandsgesetze gewinnen. Ziel der Aktion war, die Abgeordneten an ihre staatsbürgerliche Verantwortung zu erinnern, um so die Notstandsgesetze zu verhindern.  Die Demonstranten trugen Transparente, auf denen Slogans wie z. B. "NIE WIEDER NS-GESETZE", "NOTSTANDSGESETZE= NOTSTAND DER DEMOKRATIE" oder "KEINE ZUSTIMMUNG ZU NS-GESETZEN!"

Danach verging kaum ein Tag, an dem nicht gegen die Notstandsgesetze demonstriert wurde. Besonders in den großen Städten Deutschlands fanden große Protestveranstaltungen statt, wie z.B. in Berlin, München, Essen, Frankfurt, Hannover oder Hamburg.

Doch der Bundestag überging die Demonstrationenund verabschiedete am 30. Mai 1968 die Notstandsgesetze.

 

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