Die Studentenbewegung der 1960er Jahre - Schule / Bildung

Schule und Bildung

In den 60er Jahren wurde den Schülern und Studenten alte Mängel des Bildungssystems bewusst:

Nachdem in den 20er Jahren von den Nazis die Reformpädagogik wie im 19. Jahrhundert eingeführt worden war, drehte man nun das Rad der Zeit noch eine weitere Stufe zurück und führte in der Nachkriegszeit die Konfessionsschulen wieder ein. Das bedeutete, dass es sogenannte "Volksschulen" gab, die nach Konfession, also Religionszugehörigkeit, aufgeteilt wurden. Die darauf folgenden "höheren Schulen" wurden nach Geschlecht getrennt, das Gymnasium für Jungen, das Lyzeum für Mädchen. Sowohl die Lehrmethoden als auch die Lehrer stammten noch aus der Nazi-Zeit. Gehorsam, Disziplin und Auswendiglernen waren die Forderungen und Lernziele. Diskussionen oder selbstständiges Lernen waren ein Luxus, den nicht viele Lehrer zuließen.

Ein ehemaliger Student beschreibt: "Etliche Professoren, die sich während der Zeit des Faschismus durch ihre systemtreue "wissenschaftliche" Arbeit hervorgetan hatten, konnten ihre Karrieren nach dem Krieg bruchlos fortsetzen."

Studentische Mitbestimmung war ein Fremdwort. Die Lehrer hatten sogar noch das Recht zur "körperlichen Züchtigung" ihrer Schüler, ganz nach dem Prinzip der Preußischen Gewerbeordnung von 1866.

Nicht überraschend ist daher, dass die Schüler und Studenten unzufrieden mit den Mängeln des Schulsystems und ihrer sozialen Situation waren. Sie wehrten sich in Form von Protestaktionen und Demonstrationszügen. In nur wenigen Jahren veränderten sie dadurch das komplette Schulsystem:

1967

Der Beginn des Schul- und Studienjahres wurde von Ostern auf den Sommer verschoben. Das legte den Grundstein für den späteren Austausch mit dem Ausland, denn der Beginn im Sommer entsprach und entspricht der internationalen Norm.

1968

Die Konfessionsschulen wurden wieder aufgelöst: Die "Volksschule" wurde aufgeteilt in eine Grund- und eine weiterführende Hauptschule. Ein verbindliches neuntes Schuljahr wurde eingeführt und die weiterführenden Schulen stimmten zur besseren Koordination die Lehrpläne aufeinander ab.

Des weiteren wurde sowohl die Geschlechtertrennung als auch die Prügelstrafe abgeschafft.

Auch eine drastische Veränderung der Unterrichtsformen wurde erreicht. Anstatt Auswendiglernen und dem Prinzip "Einer spricht- die anderen hören zu und haben nichts zu sagen" wurden 1968 andere Formen des Lehrens sogar empfohlen, wie z.B. Gruppenarbeit oder Diskussionsrunden. Um zusätzlich das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken wurden die Klassen verkleinert und die Schule bot nachmittags auch klassenübergreifende Arbeitsgemeinschaften und Projektarbeiten an. Für Schüler mit Lernschwächen wurde Förderunterricht eingeführt.

Auch die Studieninhalte wurden radikal verändert. Neue Studiengänge wurden geschaffen, alte auf den neuesten Stand gebracht, in dem man moderne Inhalte und Erkenntnisse einfügte. In den folgenden Jahren veränderten sich die Lehrpläne noch am laufenden Band (was auch der Grund dafür war, dass sie in einer Lose-Blatt-Form verfasst wurden).

1969

Die Preußische Gewerbeordnung von 1866 wurde abgeschafft. Dieser entscheidende Schritt lockerte das Ausbildungssystem auf, da es sich nun ständig an neuen, modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren konnte.

Aus all diesen Beispielen wird deutlich, dass die Hauptveränderung darin lag, auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler einzugehen, anstatt sie sich selber zu überlassen.

Am Ende der 60er Jahre ist das deutsche Bildungssystem nicht mehr wiederzuerkennen. Doch auch in den folgenden Jahren gingen die Veränderungen noch weiter. Dies zeigt, dass die 68-er Revolution kein einmaliger "Veränderungsschritt" war, sondern einen langfristigen Veränderungsprozess ausgelöst hat. Im Bildungsbereich wird dies besonders deutlich.

 

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