Die Studentenbewegung der 1960er Jahre - Sexuelle Revolution

Die Sexuelle Revolution

"Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment"

Die Befreiung der Sexualität war sicher einer der aufregendsten Aspekte der 68-er Revolution, denn Sexualität war das stärkste Tabu der Nachkriegszeit. Mitverantwortlich war die Gesetzgebung und eine konservative Ärzteschaft, vor allem aber die konservative Einstellung der älteren Generation.

In den Familien wurde nicht über Sexualität gesprochen. Ein ehemaliger Student erinnert sich: "Wir wurden weder zu Hause, noch in der Schule aufgeklärt und nie haben wir Vater oder Mutter unbekleidet gesehen. Selbst die Geburt blieb uns rätselhaft: Babys wurden wohl entweder herausoperiert oder durch den After geboren."

Gesetze

Noch zu Anfang der 60er Jahre konnte ein männlicher Student nur unter der Bedingung ein Zimmer mieten, keinen Damenbesuch zu empfangen. Die Vermieter hatten Angst, sich nach dem Kuppelei-Paragraph 201 StGB strafbar zu machen. In diesem Paragraphen wurden Eltern, Verwandten und Vermietern verboten, unverheirateten Paaren Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, in denen sie "Unzucht" treiben konnten (Als Unzucht wurde jeglicher außereheliche Sex angesehen). Jeder hatte das Recht, Anzeige zu erstatten.

Auch die "Himmlersche Polizeiordnung" ist ein Beispiel aus dem damaligen Gesetzbuch, an dem man deutlich eine konservative Einstellung erkennen kann, denn dieses Gesetz verbot jegliche Werbung für Verhütungsmittel.

 Das Thema "Sex" kommt an die Öffentlichkeit

1960 kam die erste Anti-Baby Pille auf den Markt. Sie trug den Namen "Enovid 10" und wurde von dem Pharmakonzern C.D. Searle aus Chicago entwickelt.  Das war der Beginn des sichersten Verhütungsmittels, durch das auch Frauen die Sexualität neu entdeckten. Sie hatten keine Angst mehr vor ungewollten Schwangerschaften und konnten selber entscheiden, wann sie ein Kind wollten und wann nicht.

Auch die Presse und Industrie nahm den "Wissensdurst" über Sex der jungen Generation wahr und begann über das neue Thema Nummer 1 zu schreiben. Auch in der Werbung wurde Sexualität als "Motor der Kauflust" entdeckt. Nachdem in den 50er Jahren sogar Tamponwerbungen als anstößig galten, warben 10 Jahre später Marken wie Fenjala oder Badedas mit nackten Frauen unter der Dusche, die das Produkt in den höchsten Tönen lobten.

Auch bei StudentInnen war Sexualität ein großes Thema. Sie setzten sich für die Überwindung sexueller Tabus ein. Ein Beispiel ist Berlin: Dort gründeten die Studenten eine "Intimberatungsstelle für Studenten". Schon am dritten Versammlungsabend besuchten ca. 100 junge Menschen die Veranstaltung, um mehr über vorehelichen Geschlechtsverkehr, Verhütungsmethoden und Abtreibung zu erfahren. Des weiteren wurden an der FU Berlin Flugblätter verteilt, auf denen Informationen über die Pille zu finden waren.

In den folgenden Jahren breitete sich diese "Sexwelle" rasend schnell unter Schülern und Studenten aus. Trotz des heftigen Widerstandes der Eltern und Behörden gab es  bald keine Schülerzeitung mehr, die sich nicht in mindestens einem Artikel mit dem Lieblinsthema "Sex" beschäftigte.

Welch immense Veränderungen in wenigen Jahren eingetreten waren, zeigt ein Zitat aus der Zeitschrift "Konkret" von 1966: " Ich kenne eine Menge Mädchen, die gerade 20 sind und schon mit zehn, fünfzehn verschiedenen Männern geschlafen haben. Ich glaube, dass in letzter Zeit die Mädchen immer hemmungsloser werden. Weil es ja auch kein Risiko mehr gibt. Dadurch, dass es Verhütungsmittel gibt, die absolut sicher sind, und man keine Angst mehr vor einem Kind hat. Darum ergreifen die Mädchen immer mehr selbst die Initiative und schlafen mit jedem, der ihnen gefällt."

Sexualität in der Wissenschaft

Die Forderung der jungen Generation, zeitgemäße Aufklärung in den Schulen zu betreiben, zusammen mit dem Wunsch auf eine freie Entwicklung der Sexualität, trieb auch Wissenschaftler an, sich mt dem Thema "Sex" zu befassen. So z. B. auch Wilhelm Reich mit seinem Werk "The Sexual Revolution". Darin vertritt er die Meinung, dass durch die Unterdrückung der sexuellen Triebe Persönlichkeitsdeformationen erzeugt werden können, welche die Grundlage von Aggression und Frustration bilden. Viele Menschen sahen in dieser Deformierung auch die Ursache für die Bereichtschaft, anderen Menschen Leid zuzufügen. Auch die Studenten empfanden die alte Sexualmoral der 50er Jahre als Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument der Autoritäten.

Kritik an der Sexuellen Revolution

Viele Menschen, insbesondere solche mit religiösen Überzeugungen, versuchten den Menschen die Risiken und Nachteile der sexuellen Revolution vor Augen zu halten, so z. B. Sexsucht, die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten, unerwartete Schwangerschaften und die daraus resultierenden Abtreibungen. Außerdem stellen sie die seelische Liebe in den Vordergrund, die ihrer Meinung nach durch die Befreiung der Sexualität an Stellenwert verloren hatte.

Möglicherweise war die sexuelle Revolution der Grund für die Unversöhnlichkeit der Generationen Ende der 60er Jahre, durch die vielen Meinungsverschiedenheiten, die auch öffentlich diskutiert wurden. Dadurch kam es auch zu einer großen Veränderung der Gesellschaft. Im Gegensatz zu früher wurde nun öffentlich über Sex gesprochen. Aufklärungsunterricht gab es nun auch in der Schule und die jungen Mädchen wussten schon früh über Verhütungsmethoden, Abtreibungen und Geschlechtsverkehr Bescheid. Kondome gab es bald in jedem Supermarkt, und es war für Frauen und Mädchen auch nicht mehr schwer die Pille zu bekommen. Wohl oder übel musste auch die ältere Generation irgendwann akzeptieren, dass außerehelicher Sex kein Tabuthema mehr war. Das zeigt auch die Aufhebung des Kuppelei-Paragraphen Ende der 60er Jahre.

Wichtige Ereignisse- eine Chronologie

1948

Alfred C. Kinsey veröffentlicht seine ersten Forschungsergebnisse: "Das sexuelle Verhalten des Mannes"

1951

Der Film "Die Sünderin" löst in der Bundesrepublik einen Skandal aus. Die Hauptdarstellerin Hildegard Knef war in einer kurzen Szene nackt zu sehen

1953

"Das sexuelle Verhalten der Frau" von Alfred C. Kinsey erscheint in der Bundesrepublik

1956

In den USA wird die Anibabypille entwickelt. Erste erfolgreiche Tests  in Puerto Rico beweisen die Wirksamkeit des Medikaments

1961

Die Antibabypille kommt in Deutschland auf den Markt

1962

Beate Uhse eröffnet ihr erstes "Fachgeschäft für Ehehygiene"

1966

Die Antibabypille kommt in der DDR auf den Markt

1967

Der erste Aufklärungsfilm "Helga" kommt in die deutschen Kinos

1968

Papst Paul IV. erteilt Verhütungsmitteln, somit auch der Antibabypille, in seinem Werk "Humanae vitae" eine Absage

1969

Der Film "Deine Frau- das unbekannte Wesen" von Oswald Kolle kommt in die deutschen Kinos. Ein Jahr später folgt der zweite Teil "Dein Mann- das unbekannte Wesen"

Nach einer Änderung des im Strafgesetzbuch ist Homosexualität nun straffrei

Für den Sexualunterricht an Schulen wird von der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung ein "Sexualkunde-Atlas" veröffentlicht

1971

Rolf Gindorf gründet in Düsseldorf die "Gesellschaft zur Förderung Sozialwissenschaftlicher Sexualforschung" (GFSS) (heute bekannt als: Deutsche Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung)

1973

Die amerikanische Gesellschaft für Psychatrie streicht "Homosexualität" aus ihrem Diagnose-Katalog. Somit gilt Homosexualität nicht mehr als Krankheit.

Der deutsche Bundestag liberalisiert das Sexualstrafrecht

 (Quelle der Chronologie: www.br-online.de)

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